Viele Internet-Memes zeigen es uns, der WhatsApp-Status ist voll davon. Die Erlaubnis, nicht perfekt sein zu müssen, sondern die Botschaft „Du bist genug!“ scheint durch nette Sprüche und Selbsthilfekurse omnipräsent. Ist es damit aber auch wirklich lebbar? Willkommen bei meinem Live-Experiment.
In meiner Arbeit als Coach und Mentaltrainerin bzw. auch in typischen Beratungen geht es oft um das Thema der Ansprüche. Kaum jemand verlangt heute noch von den Mitmenschen, dass sie perfekt sind und möglichst keine Fehler machen. Wenn es dann aber um uns selbst geht, wird die Sache schon komplexer… Und ja, ich bin genau in die selbe Falle getappt – nämlich in dieses „Das muss noch besser gehen, denn die anderen sind auch alle besser.“
Liebe Leserin, lieber Leser, du bist mittendrin im Thema! Es geht um nichts weniger als diesen Blog, die Homepage, die Beiträge, Fotos… kurzum, es geht um einen Teil meines Tuns.
Denn ganz gleich, wie klar mir persönlich die Theorie der Selbstliebe und der Güte mit sich und dem eigenen Können ist, in der Praxis schwimme ich plötzlich in trüben Gewässern – vor allem, wenn es darum geht, sich der Öffentlichkeit „auszuliefern“. InfluencerInnen machen es vor: ein scheinbares Traumleben, scheinbare Traumtätigkeiten bei einem übertraumhaften Gehalt und selbstredend maximales Glück und maximale Freiheit. Perfekte Bilder, Beiträge, Stimmungen werden präsentiert und so manch einer schwankt plötzlich von „inspiriert“ zu „deprimiert“. So auch ich.
Seit Jahren will ich einen Blog schreiben, weil so vieles aus mir raus will. Auch an Podcasts oder Vlogs (so heißt das, wenn man Videobeiträge macht, oder?) hab ich schon gedacht. Ich hab unzählige Fresszettel als Entwürfe in der Schublade, doch richtig getraut habe ich mich nie. Aus Angst vor vernichtender Kritik, vor dem Belächelt werden von perfekt schönen, gescheiten und überhaupt „nur tollen“ Menschen. Und natürlich aus Vorsicht, denn die schärfste Kritikerin wohnt in meinem Kopf! Folglich hab ich einfach bis dato nichts gemacht, zu einem eindeutigen „NEIN zu Blog & Co“ konnte ich mich allerdings nie recht durchringen. Denn ich bin davon überzeugt, dass ich gehört (gelesen) werden darf. Wie übrigens jedeR andere!
Und so bin ich hier gelandet (und du offensichtlich auch, kann passieren).
Ich gebe mir hiermit offiziell die Erlaubnis, nicht-perfekte Inhalte auf unsere nicht-perfekte Homepage zu stellen. Mit meinen Themen möchte ich andere, gleich nicht-perfekte Menschen berühren, inspirieren, erheitern, trösten und vielleicht sogar ein Stück ihres Weges weiterbringen.
Denn eines ist klar: Der oder die andere ist für unseren inneren Kritiker immer schöner, besser, talentierter, gesegneter… als wir es je sein könnten. Es nützt also nichts: tun oder lassen. Mit ein paar Regeln kann es mir gelingen, dass ich dran bleibe, ohne beim Lesen von Profi-Blogs in Schamesröte zu verglühen. Und wenn das mir gelingen kann, dann dir erst recht!
Mein Rezept (Stand August 2024):
- Ich habe eine Sammlung an Themen (mit ungefährem Inhalt) vorbereitet und arbeite voraus
- Ich stelle klare Regeln des Publizierens auf (Häufigkeit, Regelmäßigkeit, Länge bzw. Flexibilität)
- Ich schütze mich, indem ich die Kommentarfunktion deaktiviere
- Ich stärke mich, indem ich meinen Selbstwert aus mir und meiner Freude am Tun generiere und nicht aufgrund des fehlenden Beifalls von aussen (ich hab ja die Kommentarfunktion deaktiviert)
- Ich bestimme, welche Regeln ich wie verbiege, weil ich meiner eigenen Entwicklung Respekt zolle
- Ich schreibe nur, wenn ich authentisch bin und es mir wirklich zu mindestens 51% Freude macht
- Ich finde meinen persönlichen Nutzen im Mitteilen meiner Gedanken und lasse jede Erwartung an ein Ergebnis los
Fragst du dich, warum dich das interessieren soll?
Ganz einfach, mein Dilemma mit dem „trau ich mich oder sind doch alle anderen besser als ich“ kennt wohl jeder und ich bin mir sicher, dass du selbst schon mindestens 1 mal in deiner Lebensspanne etwas nicht getan hast, obwohl es dir Freude bereitet hätte.
Das obenstehendes Rezept beinhaltet ein paar wesentliche Punkte, die auf verschiedene Lebenslagen und Tätigkeit umwandelbar sind. Ob du dich selbstständig machen möchtest oder vor hast, dein Talent als BauchrednerIn der Öffentlichkeit zu zeigen – es geht meist um die selben Selbstzweifel-Punkte:
- Irgendwer findet das sicher doof und
- mindestens die halbe Welt kann das sowieso besser als ich
Auf diesen 2 Punkten reitet unser innerer Kritiker dann tageweise rum. Plötzlich fällt ihm dann noch zusätzlich ein, dass
- unser krasser Beitrag die Welt auch nicht unbedingt zu einem besseren Ort macht
Und genau da heißt es STOPP! Denn auch wenn die ersten beiden Argumente durchaus etwas für sich haben, liegt der innere Kritiker beim 3. Punkt total falsch!
Reflexionsfrage für dich:
Warum macht dein „ich trau mich, mein Ding zu machen“
die Welt doch zu einem besseren Ort?
Wenn du magst, schreib mir deine Gedanken gern als Email (Betreff: Perfektionismus-Falle). Ich freu mich!